„Nee, Sorry... Deutsche Meisterschaft in Hamburg ist bestimmt super... Aber zur gleichen Zeit hat mein Papa schon in Frankreich einen Katamaran für die ganze Familie gechartert und das ist mir echt wichtiger.“
Das waren Eriks Worte als wir es im Frühjahr 2001 mit großem Kraftaufwand quasi aus dem Nichts geschafft hatten, einen Teil des über Nacht zusammengewürfelten Teams innerhalb von zwei Monaten für die Deutsche Jüngstenmeisterschaft der Teenys in Hamburg zu qualifizieren. Damit war Erik raus...
Ich weiß nicht woran es lag... Vielleicht war es Mitleid mit dem Trainer, der den Mund vor Staunen nicht mehr zu bekam... Vielleicht auch die Angst vor den damals noch gefürchteten Strafliegestütz... Oder aber Papa Plößels Familienschiff an der Müritz konnte nicht mit der Strahlkraft des Katamarans in Frankreich mithalten... Mit seiner- mit gerade 13 Jahren erst beginnenden Pubertät - wird die Entscheidung für eine Woche Hamburger Kiez ohne Eltern hoffentlich noch nicht zu tun gehabt haben... Jedenfalls erklärte sich Tomi bereit, sich mit Joris in einem vorübergehend neuen Team der Konkurrenz in Hamburg zu stellen. Joris war das Kunststück der Qualifikation in kürzester Zeit ebenfalls gelungen und zwar mit wechselnden Vorschotern und sage und schreibe vier in Deutschland verteilten Regatten in einem Monat. Respekt!
Betreut durch das seinerzeit im Teeny sehr etablierte TSV Team erkämpften sich nun Joris und Tomi in Hamburg einen beachtlichen Platz im Mittelfeld.
Aber gehen wir noch einmal einen Schritt zurück. Es waren die Jahre 1999 bis 2001. Die Jugendabteilung begann sich langsam zu erholen nachdem sie mit dem Ausscheiden des damals omnipräsenten und erfolgreichen Jugendobmanns Oliver Tusche einen sehr starken Einschnitt erleben musste. Heiko Seidel hatte damals das Ruder übernommen und nach und nach baute sich ein Team aus Jugendlichen TSCern auf, die nach dem Ausscheiden aus der aktiven Zeit nun ihre seglerischen Errungenschaften an den noch zu werbenden Nachwuchs weitergeben wollten. Die es aber auch schlichtweg genossen, in ihrer neuen Eigenschaft als Trainer weiter Zeit mit ihrem Sport und ihren Segelfreunden in ihrem schönen Segelverein am Wasser zu verbringen.
Die Tradition des sommerlichen Schnuppersegelns wurde erfolgreich wieder aufgelebt und die ersten Trainingsgruppen füllten sich mit bunt gemixten segelbegeisterten Kindern.
Geprägt und überzeugt von der Bootsklasse Opti nahmen wir ab Ende 2000 sogar mit mäßigem Erfolg an den ersten Optianfängerregatten am Wannsee teil.
Nur ein kleiner gebürtiger TSCer ließ sich von dieser entstehenden Euphorie mal gar nicht einfangen. Es war Erik, der von Geburt an immer irgendwo zwischen den Booten rumwuselte und ständig mit irgendeinem mal mehr mal weniger schwimmfähigen Gerät auf dem Wasser war.
Erik beobachtete die aufwachsenden Trainingsgruppen lieber mit dem Mund voller Keksen von Hanne's und Gisi's Boot aus.
Und wenn schon Segeln, dann höchsten mit dem in unserem Konzept zu der Zeit nicht vorgesehenen Teeny.
So kam es, dass Erik im Frühjahr 2001 fragte, ob es nicht einen Vorschoter gäbe, mit dem er „nur so zum Spaß“ das vereinseigene Teeny-Event Jüngstenfestival mitsegeln könnte.
Schweren Herzens wurde das noch recht junge Opti – Regatta – Team nach einem geeigneten Vorschoter durchkämmt. Der Segler musste zum einen körperlich und seglerisch zu Erik passen, er sollte aber auch derart sittlich und moralisch gefestigt sein, dass er nach einem einmaligen Ausflug in die Teenyklasse nicht den Reizen eines Zweimannbootes erliegt und hinterher seinem Opti und damit der Vereinsphilosophie den Rücken zu kehrt. Er sollte schließlich zunächst im Opti alleine und eigene Regatta- und Steuererfahrungen sammeln.
Die Wahl fiel auf Thomas, der schon damals athletisch ganz gut beieinander war und im Opti zumindest in der Lage war den Opti ohne größere Umwege um das Dreieck vom Start ins Ziel zu bringen. Eine folgenschwere Entscheidung...
Die Eltern von Thomas wurden trotz anfänglichen Murrens ob der erneuten Veränderung von dem Vorhaben überzeugt. Die Kids waren begeistert. Und sie ließen Taten folgen. Beim Tegeler Jüngstenfestival 2001 segelten Sie Ihre erste gemeinsame Regatta und beendeten Ihre Serie mit einem sensationellen zweiten Gesamtrang.
Nun mussten Entscheidungen her... Hinter dem Rücken der beiden glühten die Telefonleitungen. Es galt zu entscheiden ob man an der langfristig ausgerichteten Strategie festhielt und verschiedene Optitrainingsgruppen aufbaute um langsam an die etablierten Vereine und Segler heranzukommen oder ob man sich kurzerhand auf kurzfristigen Erfolg in der Teenyklasse ausrichtete. Einer Jüngstenklasse, die seinerzeit sehr liebevoll sowie familiär ausgerichtet war, in der aber die sportlichen Möglichkeiten in Training und Leistung der Kinder bei weitem nicht ausgeschöpft waren. Demzufolge stand dieses Boot so gar nicht im Fokus der Förderstrukturen zumindest des Berliner Seglerverbandes.
Wir entschieden uns für ein radikales und kurzfristiges Umschwenken auf den Teeny ohne zunächst wirklich zu wissen was auf uns zukommt und wie es danach weiter gehen sollte. Hauptsache glücklichen Segelnachwuchs und die Option, sich zumindest in einer Bootsklasse - nach langer Flaute - wieder einen Namen zu machen. Was möglicherweise die Attraktivität für weitere junge Nachwuchssegler steigern könnte. Zugegeben, ein wenig eigener sportlicher Ehrgeiz von Trainer und Jugendfunktionären mag auch eine Rolle gespielt haben.
Quasi über Nacht wurde um das offensichtlich sehr talentierte Team von Erik und Tomi eine Mannschaft aufgebaut. Unter anderem auch mit einigen Seglern, die eigentlich fester Bestandteil des Optifortgeschrittenenteams gewesen waren. Bis zur oben beschriebenen Qualifikation für die Deutsche in Hamburg mit sehr stark wechselnden Booten und Besatzungen, sowie zusammengeflicktem Boots- und Segelmaterial. Aber ab Herbst 2001 kristallisierte sich eine Gruppe von vier Mannschaften, Erik/Thomas, Joris/Robert, Jan/Jeronimo und Britta/Julia (CNFT) heraus. Eng begleitet von Ihrem Trainer und dem Maskottchen „Nicki die Ente“. Unterstützt von deren nicht nur zufälligem Namensvetter Nicki, der uns gemeinsam mit Jugendobmann Heiko in der nicht immer begeisterten Hauptabteilung den Rücken frei hielt. Zu den Trainingslagern und Regattahöhepunkten begleitete uns der erfahrene Ex-Teenysegler Marc als weiterer Trainer. Und bei den Regatten in ganz Deutschland hatten wir den Rückhalt von einem hervorragenden Team von Eltern, die immer da waren wenn man sie brauchte aber genügend Abstand hielten um den Dingen ihren Lauf und ihr manchmal notwendiges Chaos zu lassen. Allen voran unser engster Begleiter und Spaßbeauftragte Theo.
Im Winter 2001/2002 steckten wir uns sehr ehrgeizige Ziele für die kommende Saison. Wir wollten bei der Deutschen am gemütlichen Alfsee die Teenyszene so richtig aufmischen. Dafür trainierten wir mehrere Tage die Woche hart in den Turn- und Schwimmhallen die uns zur Verfügung standen. In die Saison starteten wir mit neuem Bootsmaterial und mit einem ausgiebigen Ostertrainingslager in Warnemünde. Zwei Teams hatten zusammen mit dem TSC tief in die Tasche gegriffen und zwei nagelneue Teenys von Ziegelmayer bestellt. Ein Meilenstein in der Weiterentwicklung dieses Sportgerätes und unseres späteren Erfolges. Die gute Woche in Warnemünde schweißte uns so richtig zusammen. Sportlich aber auch persönlich. Morgens Frühsport, dann zwei Wassereinheiten pro Tag und abends Videoauswertung und Theorie. Weit nach eigentlicher Bettruhe musste der Trainer ein Machtwort sprechen und den Fernseher mit den Segelaufnahmen und Manöverzeitlupen vom Tag ausschalten.
Aber auch der Spaß sollte nicht zu kurz kommen. Ob Bowling, stundenlange Raufereien am Strand oder ausgiebige Abende mit Toben in der Sportschule Warnemünde.
Thomas hatte sich inzwischen einen Namen als „Vielfraß“ gemacht. Wenn die anderen ihre als Nachtisch gedachten Schokopuddinge suchten, fanden sie sie meist im Kleiderschrank von Thomas wieder. Auch von einem Brotkrümel, der per Zufall in Eriks Haar gelandet war machte er nicht Halt und griff ihn sich fast panisch um ihn kurzerhand gierig in den Mund zu stopfen. Seine Frage im Rahmen der Regelkunde, was denn sei wenn eine Leiche im Wasser schwimmt, wird mit Sicherheit als ein Highlight in die Annalen dieser Zeit eingehen... Ebenso wie eine Geschichte die ich erst Jahre später von einer hier nicht näher genannten Quelle erfahren habe. Jeder der einmal die Chance hatte Regatten auf Jollen zu segeln wird wissen was ich meine wenn ich sage: Irgendwann wird jeder einmal seinen Trockenanzug von innen auf Wasserdurchlässigkeit testen müssen. Eine nicht sehr angenehme Erfahrung und meist von völlig unbegründeter Scham begleitet. Nicht so bei Erik. Als er von einem Mitsegler beim Beseitigen der Schäden erwischt wurde entgegnete er mit einem Lächeln: Der Trainer hat gesagt, man ist erst dann ein richtiger Segler wenn man das zumindest einmal hinter sich gebracht habe...Wir hatten ein paar sehr intensive und wie ich denke für alle Beteiligten schöne und prägende Jahre.
Der Erfolg bei der Deutschen 2002 im Sommer kam wie erhofft und hart erarbeitet. Wir belegten als TSC Team mit Erik und Thomas den Platz des Deutschen Vizemeisters und mit Joris und Robert einen weiteren Platz in der Top Ten von 64 Booten und damit den dritten Platz der U14 Wertung. Das alles in der ersten richtigen und kompletten Regattasaison.
2003 war dann schon sehr stark von dem anstehenden Umstieg einiger in die Folgeklasse 420er geprägt. Bei der Deutschen Meisterschaft in Ribnitz waren unsere drei Jungsteams schon etwas schwer für das kleine Boot. Dafür begann der Aufstieg des Mädelsteams bestehend aus Britta für dieses Event gemeinsam unterwegs mit Anja, die sonst Opti fuhr.
Nach der Deutschen ging es um einen fließenden Übergang in den 420er bzw. in die folgenden Trainingsgruppen. Mich verschleppte es beruflich in die Bonner Gegend, die Teenys wurden übernommen von Marc. Bei den 420ern war uns sehr stark daran gelegen sie in den Landeskader zu bringen. Die aus unserer Sicht zu dieser Zeit einzige leistungssportliche Perspektive auf die die ganze Trainingsarbeit der letzten Monate ausgerichtet war.
Leider war es uns trotz intensiver persönlicher Beziehungen in die Trainer- und Funktionärsebenen des BSV, sowie regelmäßiger Kontaktversuche nicht möglich, uns als Teeny-Team in den Fokus der Nachwuchssichtung für den Berliner D-Kader zu bringen.
So hing die sportliche Perspektive auch für die jetzigen Olympioniken Erik und Tomi mehr oder weniger von einem Wochenendsichtungslehrgang im Herbst 2003 am Müggelsee ab. Dem ersten und einzigen Kontakt zum damaligen Landestrainer vor der Kaderzusammenstellung.
Für mich persönlich ein Nervenkrieg. Erik und Tomi konnten ihre Chance nutzen. Für Joris und Robert sowie Jan und Jeronimo war dieses eine Wochenende leider zu wenig. Zum Glück bekamen Sie dank eines intensiveren Einstiegs von Helge in die Trainingsarbeit die Chance nahtlos weiter zu segeln.
Und so bleibt mir 15 Jahre nach unserem Start folgendes Resümee:
Allesamt sind wir auch heute noch miteinander befreundet und stehen in persönlichem Kontakt.
Jeder ist über die Jahre seinem Sport und seinem Verein treu geblieben. Mit unterschiedlichsten eigenen seglerischen Erfahrungen. Aber auch in unterschiedlichen Funktionen für Ihren Verein, den Tegeler-Segel-Club. Sei es die Trainerarbeit oder aber auch die Vorstandsarbeit. Allen voran Jan, als langjähriger Jugendsportwart und Robert als aktueller Jugendobmann mit einem Job, um den ich ihn bei derzeitigen Umständen nicht beneide.
Ich bin stolz auf euch!
Für die sportliche Krönung sorgen seit vielen Jahren - aber diesen Sommer ganz besonders - Erik und Thomas. Alleine der Fakt, dass sie seit 2001 in unveränderter Konstellation zusammen segeln, ist sensationell und soweit ich denken kann, einzigartig. Dazu die zahlreichen nationalen und internationalen Erfolge und Titel. Und jetzt der Kampf um das größte was ein Sportler jemals erreichen kann. Der Kampf um olympisches Edelmetall in Rio unter dem Zuckerhut.
Ich denke ich kann hier im Namen des ganzen Teenyteams sprechen und auch im Namen des Tegeler-Segel-Clubs, wenn ich sage, wir freuen uns unglaublich für euch. Ihr habt über viele Jahre sehr hart und professionell gearbeitet auf einiges verzichtet und nahezu alles eurem Sport untergeordnet. Belohnt habt ihr euch denke ich bereits selbst mit einer unvergesslichen und unwiederbringlichen Zeit.
Im Namen aller TSCer möchte ich euch insbesondere für eines danken:
Für eure ebenfalls einzigartige Art und Weise, wie ihr nie vergessen habt wo ihr herkommt. Wie ihr eure Wegbegleiter der Vergangenheit intensiv an eurem Erfolg, euren Erfahrungen und eurer Freude an Sport und Leben teilhaben lasst. Mal mit großen, mal mit kleinen Gesten.
Es hat sehr viel Freude gemacht eure sportliche und persönliche Entwicklung in den letzten 15 Jahren zu verfolgen.
Ab nach Rio mit euch! Währenddessen werden am runden Tisch, auf der Terrasse und an vielen weiteren Orten vom 12. bis 18. August die Fingernägel gekaut und Daumen gedrückt. Euch allen viel Spaß bei diesen für den TSC sehr besonderen Wochen.
Für euch, Erik und Tommi bleibt mir ein – wie ich persönlich finde - sehr bescheidener Wunsch!
Lebt und erfüllt euch euren Traum!! Denn dafür habt ihr Beide die letzten 15 Jahre verdammt hart gearbeitet.
In diesem Sinne und getreu eurem Motto:
G O L D 2 0 1 6 !!!!
Sowie ein dreifach „gut Wind – Ahoi“!!!
Micha