Segeln am Simssee

Simssee? Nie gehört? So ging es mir auch als im Spätsommer Kete und Sven mit Bommel aus Bayern wiederkamen. Deutsche Meister im H-Boot am Chiemsee wollten sie werden, doch das klappte nicht so gut. Also fuhren Sie auf den benachbarten Simssee und holten dort gleich mal den Pott. Heiße Geschichten gab es zu erzählen, von einer Regatta, die gesponsert von einer Brauerei (Auerbräu in Rosenheim), mit Freibier ohne Grenzen lockte und von Kronkorken, aus denen man während auf dem Bayrischen Abend die Harfe erklingt geniale Ketten basteln konnte. Ja, etwas neidisch schauten die daheim gebliebenen schon drein als davon berichtet wurde.

"Kampflos geben wir den Pott nicht ab!" versprach Bommel damals bei der Abreise und hielt sein Wort. Da Kete und Sven keine Zeit hatten, fiel seine Schottenwahl in diesem Jahr auf Achim und mich. Bayern, Weißwurscht, Semmeln, Alpenseen und sattblauer Himmel. Dazu ein gutes Weißes und ein bisschen Segeln. So stellte ich mir das erste Oktoberwochenende lebhaft vor. Doch mit Regen und 9 Grad zur Abfahrt in Berlin am Freitag morgen hatte ich nicht gerechnet. Der Alexander zog Zuppel in 9 Stunden bis vor die Tore von Rosenheim. Von da aus ging es über kleine Straßen nach Osten bis an den Simssees. Über eine trailermörderische Kurve zirkelten wir unser Sportgerät auf den Parkplatz des kleinen Clubs. Der SCS (nein, nicht aus Seddin oder Spandau) ist ein echter Self-Made-Laden, der es allerdings schaffte 20 H-Boote zum größten Teil aus dem Umland zur 111 Zwickel Regatta zusammenzurufen. Anständige Regatten heißen ja "Der Preis von Soundso" oder "Der der-und-der Gedächnis Preis" doch hier leitet sich der Name von der Bezeichnung des Bieres des Hauptsponsors ab. Eine Regatta nach einem Bier benannt, hört sich sehr Leber schädigend an und das ist auch durchaus zutreffend. 111 ist übrigens das Alter der Brauerei gewesen, als sie dieses Bier erfunden haben.

Angekommen musste ich als geborener Muschelschubser feststellen, dass ich mal wieder in einer sehr engen Ecke Deutschlands gelandet war. Überall um mich herum standen Berge rum, die den Blick zum Horizont durchaus einschränkten, wenn Sie auch ein Panorama ermöglichten, welches mich als Feind allen Kitschs fast dazu zwangen, die Augen geschlossen zu halten. Doch so einfach ging es nicht, denn dann wäre ich beim Maststellen von Zuppel sicher von Bord gefallen. Also ergab ich mich in mein Schicksal und genoss das Alpenglühen.

Am Freitag Abend ging es in den Gockelwirt; ich vermutete also eine südbayrische Variante des Wienerwalds. Doch weit gefehlt, es handelte sich um ein sehr veritables Restaurant mit einer hervorragenden Küche und einer urtypischen Bedienung, deren Charme eine Mischung aus einer bayrischer Gebirgsziege und einem hochalpinen Kletterpfad war, obwohl ihr Aussehen weder das eine noch das anderen zu bestätigen vermochte. Nachdem ich meine gesamten Hochsee erfahrenen und Metropolen erprobten Verführungskünste und meinen berüchtigten Kieler Augenaufschlag eingesetzt hatte, schenkte sie mir doch tatsächlich ein Lächeln, was wahrscheinlich in der Häufigkeitsverteilung mit einer Sonnenfinsternis gleichzusetzen ist.

Am Samstag wurde gesegelt. Achim stieß zu uns. Er hatte sich mit Anette ein Zimmer im Nachbardorf genommen und war fast etwas enttäuscht, dass er sein 80 Quadratmeter mit Dampfsauna ausgestattetes Domizil kurzfristig gegen den kargen GFK Charme des Zuppel eintauschen sollte. Doch als das Groß stand und wir aus dem kleinen Hafen liefen, war alles schön. Das Boot lief, das Wetter zeigte uns Wind und Wolken und trocken war es obendrauf. Der erste Start sollte um 13 Uhr sein, wir waren früh draußen. Das hatte zwei Gründe: erstens war ich noch nie Decksaffe gefahren und zum anderen war es schon ein paar Tage her, dass Achim sich auf die Kante eines H-Bootes geschwungen hatte. Also war reichlich Trainingsbedarf. Nach einer Stunde war der Teamchef Bommel mit der Crew-Performance zufrieden und legte wieder an. Ursel unsere fürsorglichste aller Grouppies versorgte die Lieben mit kühlem Weißbier.

Der erste Start klappte wie am Schnürchen, von der Starttonne aus glitten wir den Up-and-Down Kurs hinauf. Schon auf der ersten Kreuz hatte sich Bommel für die richtige Seite entschieden und lag an der Tonne 1 in Front. Diesen Platz gaben wir auch nicht mehr her. In der zweiten Wettfahrt lief es nicht so gut. Im Startgewühl wurden wir mit anderen über die Linie gedrückt, also roundeten wir die ends (jedenfalls das am Startschiff) und gingen auf Verfolgungsjagd. Am Ende hatten wir das halbe Feld kassiert und wurden 9. Dann noch dreißig Sekunden bis zum Start zur dritten Wettfahrt. Mit einem mal kippte der Wind um 60° nach rechts. Wir kommen als 6. aus dem Gewühl und sehen, dass die Tonne 1 ein klarer Anlieger ist. Also Hochfahrübung. Um uns herum ziehen schwarze Wolken, noch ist es trocken, doch vereinzelte Tropfen zeigen, dass die Wahl der Ölzeugkleidung genau richtig war. Die Möchte-gar-nicht-so-gern-Kreuz und der viel zu spitze Spi-gang waren zwar etwas ätzend, doch ließen sie uns schließlich als dritter durchs Ziel gehen. Pünktlich mit dem Zieldurchgang machte der Himmel uns die nasse Freude und duscht uns kräftig ab. Wie unschön. Wie schön sind da doch die drei Weißbier, die an Land auf uns warten. Am Ende des ersten Tages liegt ein Öschi-Boot vor, (ja, die Veranstaltung ist mega-international, mit Österreichern und Preußen) wir haben ein paar Punkte Abstand auf dem dritten Platz, doch einen guten Streicher. Sonntag ein Sieg in der letzten Wettfahrt und der Pott fährt das zweite Mal durch die Republik und bleibt in Preußenhand!

Doch erst ist Begrüßungsabend und der beginnt mit (und endet an) zwei Kühlschränken. In denen stehen dicht and dicht 111 Zwickl Bierflaschen, doch der Zugriff der ausgedörrten Seglerkehlen wird durch ein massives Vorhängeschloss erschwert. Auftritt Hans, Clubpräside, mit dem Schlüssel und ab geht die Party. Dazu gibt’s Haxe mit bayrisch Kraut und Knödel. Na, das ist ja mal authentisch. Es wird ein sehr lustiger Abend, der durch die Darbietung der bayrischen Hausmusik mit Akkordeon und Harfe kaum gestört wurde. Nachts um zwei sind die letzten Flaschen aus dem Kühlschrank zweckbestimmt entfernt (obwohl man durchaus mehrfach nachgelegt hatte...) und auch der letzte Kronkorken ist in die 111-Kette integriert worden. Mein Platz war mit vielen anderen auf der Iso-Matte in der Party-Zone, so dass ich dem Zelt bei 6° Außentemperatur entkam.

Der Sonntag weckte mich mit Formel 1 aus Suzuka morgens ab 7 Uhr. Bayern können ja so grausam sein... Nach dem Frühstück hatte sich der Nebel über dem Wasser verzogen und ließ die Berge mit einem Kitsch-Postkarten-Panorama zurück, dass selbst die eigene Großmutter dieses als Fotomontage verdächtigt hätte. Wind kam auch auf und so waren wir guten Mutes für den letzten Start. Auf der ersten Kreuz lief es nicht, 6. an der Tonne. Doch Bommel an der Pinne und Achim am Spi gaben Gas, alle Halsen-Manöver liefen glatt und den richtigen Windstrich fanden wir auch. So waren wir 4. auf der zweiten Kreuz. An der Tonne jedoch lagen wir dann schon auf 2. Angriff! Zwei Runden lang jagten wir den führenden Walter, und griffen kurz vor dem Ziel in bester Match-Race Manier an. doch leider reichte es nicht ganz, Walter kam an der letzten Lee-Tonne innen durch und gewann den Gang. Damit waren wir einen Punkt hinter den Österreichern, die den Pott jetzt auf luftige Almen entführen werden.

Im nächsten Jahr werden die zuppelgrünen Preußen wohl wieder in Bayern einfallen, denn es ist nett dort und außerdem folgt die REVANGE!

Kai Jürgens