"Lass den Anker fallen!" brüllte Jessi gegen den Wind, Kai ließ die Kette kommen und der Anker verschwand in den aufgewühlten Wassern des Tegeler Sees. "Wir treiben, wir treiben!" kam es fast panisch von hinten. Kai zog schon wieder an der Kette. Er saß mit den Füßen gegen die Bugklampen gestützt auf dem Vorschiff der "Peer Gynt" und nahm den Anker wieder auf. Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn. "Frei!" brüllte er, als er die letzten Kettenglieder über die Ankerspill am Bugkorb hievte.

Jessi gab Gas, kurz bevor die Trio 80 in die Sperrzone vor Schilfgürtel zwischen TSV und Wasserwerk trieb. 6 Bft Wind aus Richtung Strandbad drückten gegen den Bug, als der Festpropeller versuchte das Boot wieder auf Position zwischen Hasselwerder und TSV zu bringen. "Sche... Düse, hier oben!", fluchte Kai und schüttelte sich die erschöpften Schultermuskeln aus. Normalerweise genießt er es, dass es bei dieser Windrichtung zwischen der Insel und dem Uferstreifen am Wasserwerk immer etwas stärker bläst, als auf dem Rest vom See. Aber da befindet er sich ja auch in Neopren auf seinem Laser und versucht alles, aber nicht gerade in der besten Böe den Kahn auf der Stelle zu halten. Inzwischen war Jessi wieder auf Position, erneut ließ Kai den Anker fallen. Schnell glitt die Kette nach unten, aber 12m Wassertiefe wollten bewältigt werden. Dann belegte Kai die Leine auf der Klampe und holte sich Flo auf dem Gummiboot ran. Der übernahm den zweiten Anker und fuhr ihn nach Steuerbord weg. Schließlich stampften auch Winne und Christian mit der Huddel heran und brachten einen dritten Anker nach Backbord aus. Erst so ließ sich das Boot auf Position halten.

Aber warum in aller Welt, sitzen Kai und Jessi (und nicht nur die: Heike und Jule waren auch noch in der Plicht) bei miesem Wetter und 6 Bft Wind auf der "Peer Gynt" mitten auf dem Tegeler See? Und wo ist Peter Reckmann? Und was soll das eigentlich gerade alles? Die Erklärung ist denkbar einfach. Es ist der 15. September und es ist Kurt-Weck-Gedächtnis Preis. Peter Reckmann, selbst im Ricola-Urlaubsland weilend, hat Kai dankenswerter Weise sein Boot als Startschiff überlassen und es ist nun wirklich an der Zeit die Tonnen ins Wasser zu bekommen. 18 Variantas und 12 IF-Boote waren gekommen, um bei doch heftigen 5 Bft mit Böen von durchaus 7 ihren Besten zu ermitteln.

Als feststand, dass die Position fest stand, ließ Jessi die Tonnen ausbringen. Flo auf dem einen und Paule mit Jens auf dem anderen Boot erledigten den Job erwartungsgemäß schnell und zuverlässig. Jessi kämpfte inzwischen mit der Halterung der Flaggen. Bei soviel Wind war es nicht leicht, die Dinger davon zu überzeugen, stabil im Wind zu bleiben. Doch gut 20 Minuten vor dem aversierten Starttermin war alles bereit. Die Teilnehmer trudelten ein und umkreisten das Startschiff. Winne, der an der Pinne der Huddel saß, weil der Stammsteuermann Bobby mit seinem Sohn das legendäre IF-Boot durch die Wellen peitschen wollte, brachte Christian in die Peilung und schon konnte es losgehen. Ein guter Start und ab ging die wilde Hatz der IFs von Hasselwerder in Richtung Strandbad, dann halbwinds Richtung Odin und wieder zurück zum Start. Ihnen folgten genau 5 Minuten später die nicht minder hetzenden Variantas. Jessi ließ die erste Wettfahrt lang segeln, also Dreieck, Diagonale, Dreieck, Diagonale, Dreieck, Ziel. Bei so starkem Wind verlangte der Kurs alles von den Seglern ab. Besonders bei den Variantas konnte man schnell sehen, wer wie viel Gewicht auf die Kante bekam und wer besonders gut vor dem Wind steuern konnte. Ines Herbold, gerade von einem heftigen Segelunfall genesen, schoss auf der Diagonale kräftig in die Sonne, konnte die Wettfahrt aber nach dem Klarieren des Spis fortsetzen. Doch auch auf anderen Booten forderte der Wind seinen Tribut. Dietmar Falkenberg betrauerte den Verlust seines grün-schwarzen Lieblingsspis, der nach einem Riss an der Unterliek glücklicher Weise den Down-Wind-Kurs gerade noch durchhielt. Bei Daniel Weiß Varianta löste sich die Steuerbordwinsch in ihre Einzelteile mit lautem Knall auf, so dass für ihn das Wochenende gelaufen war.

Die zweite Wettfahrt startete Jessi verkürzt, so dass die zweite Diagonale und das letzte Dreieck entfielen. Das störte den Wind nur wenig, er legte sogar noch etwas zu. Auf dem zweiten Down-Wind packte sich Bernd Korytowski auf die Seite, die RazzFazz lief voll. Edeltraut, seine Vorschoterin, saß bis zum Nabel im Wasser und unter Deck schwammen die Matratzen auf. Auf der vorletzten Kreuz, drehte Herbert Kretschmann plötzlich in den Wind. Das Vorsegel war runtergekommen. Eilig legte er Kurs auf die SVT. Unter Hochdruck arbeitete er mit seiner Crew daran, den Schaden zu beheben.

Auch die dritte Wettfahrt ließ Jessi verkürzt fahren. Die IFs gingen wieder auf die Kreuz, noch wenige Minuten bis zum Start der Variantas. Da kam Herbert mit frisch repariertem Fockfall hinter Hasselwerder hervor. Trotz aller Bemühungen hatte er den Start um wenige Minuten verpasst. Doch sportlich, wie er nun mal ist, ließ er davon nicht abhalten und nahm die Verfolgung des Feldes auf. Das war zwar schon einen halben Schenkel weg, doch er sollte einige noch kriegen, welch ein Fight! Der Wind ließ zwar ein wenig nach auf 5-6 Bft, aber es waren schon harte Bedingungen. An der Spitze des Feldes zeigten einige Steuerleute wahres Können. Bei den Varianten hatten Thomas Kaiser und Michael Speer mit 3 Siegen das Feld im Griff, während ihnen bei den IFs Dietmar Falkenberg mit Sohn Holger und Hanne Willing in nichts nachstanden.

Gegen 16 Uhr schickte Jessi die Segler in den Hafen, denn am Abend stand ja die TSC-Schuppen-Fete an. Bis spät in die Nacht konnten die Segler ihre Wunden mit kühlem Bier und einem deftigen Buffet lecken und nicht nur die: Der Schuppen bebte von der Musik von Anno-Rock und den vielen TSCern, die das Tanzbein schwangen.

Der nächste Morgen versprach also Katerstimmung und glücklicherweise hatte der Wind wohl auch die eine oder andere Birne gehabt, so dass er nur noch mit lauen 2-3 von der Liebesinsel aus blies. Jessi legte sich mit dem Startschiff wieder vor Hasselwerder, doch diesmal ging das Ankermanöver ganz ohne unzüchtige Flüche vonstatten. Der zweite Anker musste nicht viel halten und verhinderte nur das Schweuen. Dem einen oder anderen auf dem Wasser war der Schuppen und die dort viel zu lange verbrachte Zeit durchaus noch anzusehen und einer war besonders froh, als er sich im Startschiff ausgestreckt von den Strapazen des Abends erholen durfte.

Die beiden Wettfahrten an diesem Sonntag entschädigten für die Wetter des Vortages. Es war ein schönes Regattasegeln mit tollen Manövern mitunter sogar bei Sonne. Nur Bernd und Edeltraut hatten ein rabenschwarzes Wochenende erwischt. Kaum das Schiff wieder trocken gelegt und die Matratzen ausgewrungen, zeigte sich beim Rausfahren, dass das Schwert klemmte. Also nichts mit einer großen Aufholjagd. Es war zum Heulen für die beiden.

Gegen 16 Uhr versammelten sich die Teilnehmer dann, um die Sieger zu ehren. Bei den Variantas siegten Thomas Kaiser und Michael Speer (SG Siemens) vor Dirk Höflich und Dorothe Fiedler (SCH) und Stefan Freitag-Schlauch (SCS87) und Lars Teutenberg (YCWM). In der Klasse der IF-Boote siegte Dietmar Falkenberg mit Holger Falkenberg und Hanne Willing (alle TSC) vor Carsten Edinger, Eberhard Schwemme und Horst Schützmann (alle SCS) und Berthold Kogut (WACK), Wolfgang Leppert (WSV1921) und Werner Binger (WACK). Bobby und Jan Fontés erreichten den 5. Platz und wurden 2. in der Wertung ohne Spinacker. Irmingard Mannl und Tanja Pursche erreichten den 7. Platz.

In der Gemeinschaftswertung der Willi Thomas Regatta und des Kurt Weck Preises konnte Dietmar den Vorjahressieg mit dem Traumergebnis von 6 Punkten verteidigen.

Die Wettfahrtleitung dankt allen Teilnehmern und ganz besonders den vielen helfenden Händen und freut sich auf ein großes Teilnehmerfeld im nächsten Jahr und auf spannende Rennen!

Kai Jürgens